Ornithologie in Guatemala
Ornithologie, die wissenschaftliche Vogelkunde, gehört zu den ältesten Teilwissenschaften der Biologie. In Guatemala wurde die Ornithologie bereits von den alten Maya ausgeübt. Sie studierten heilige Vögel wie den Quetzal (Pharomachrus mocinno) und den Arakanga (Ara macao). Obwohl aus dieser Zeit keine schriftlichen Dokumente über die Biologie dieser Arten überliefert sind, kann man davon ausgehen, dass die Maya über gute Kenntnisse dieser Arten verfügten. Ohne diese wäre es nicht möglich gewesen, an große Mengen an Federn dieser Arten zu gelangen um sie zu aufwendigen Gewändern der Herrscher zu verarbeiten (Tozzer & Allen 1910).
Die wissenschaftliche Dokumentation der Ornithologie in Guatemala begann im 19. Jh., nachdem Guatemala 1821 die Unabhängigkeit von Spanien erklärte. Dies erleichterte die Einreise von Europäern und Nordamerikanern. Unter diesen Besuchern waren Naturforscher, selbst sehr gutgestellt oder gesponsert von Adligen in ihren Heimatländern. Deren Interesse bestand v.a. darin an Kuriositäten der bis dahin unbekannten Neotropen zu gelangen. Viele Jahrzehnte war die Ornithologie konzentriert auf das Sammeln von Vögeln und der Beschreibung neuer Arten. Während viele europäische und nordamerikanische Arten bereits in 16. Jh. beschrieben wurden, viele von Linnaeus, wurde die ersten mittelamerikanischen Arten erst im 19. Jh. beschrieben.
Einer der bedeutendsten Pioniere der Ornithologie in Guatemala war Osbert Salvin, britischer Naturforscher, welcher zusammen mit Frederick DuCane Godman die "Biologia Centrali-Americana" herausgegeben hat. 37 Jahre wissenschaftlicher Arbeit sind in diesem monumentalen Werk, bestehend aus 63 Bänden, zusammengefasst wurden (Graham 2002). Ungefähr 50.000 Arten der Flora und Fauna sind beschrieben , und 4 Bände der Archäologie gewidmet (Maudslay 1889-1902). Drei Bände behandeln die Ornithologie Mittelamerikas (Salvin & Godman 1879-1904).
In der ersten Hälfte des 20. Jh. erreichte die Ornithologie die nächste Stufe. Daten aus Vogelsammlungen flossen in die ersten Publikationen über Taxonomie und Verbreitung der Vögel, zum Beispiel Ridgway (1901-1950) und Griscom (1932). Der Taxonomie, die Klassifizierung der bisher bekannten Vögel, widmete sich die Ornithologie in dieser Zeit hauptsächlich. Bestimmungsbücher existierten bis dahin nicht. Das erste dieser Art in Mittelamerika war ein Vogelführer für Mexiko (Blake 1953), welcher für die Bestimmung der Vögel in der Hand ausgerichtet war. Das erste Bestimmungswerk mit Farbtafeln behandelt die Vogelwelt Tikals und des nördlichen Petén (Smithe 1966). 1970 folgte der erste Führer zu den Vögeln Guatemalas (Land 1970), gefolgt von anderen Bestimmungswerken für die mexikanische und mittelamerikanische Vogelwelt (Edwards 1972, Davis 1972, Peterson & Chalif 1973). Das Erscheinen dieser Bestimmungswerke zeigt, dass die Vogelarten der Region weitgehend bekannt waren. Dennoch fehlten Kenntnisse über die detaillierte Verbreitung und die Ökologie der Vögel. Alexander F. Skutch war einer der bedeutendsten Ornithologen, welche die Autökologie mittelamerikanischer Arten erforschten. Er veröffentlichte Daten zu ungefähr 200 Arten. In den 1930er Jahren war er auch in Guatemala tätig. Nach Howell & Webb's (1995) Vogelführer für das nördliche Mesoamerika, wurde die aktuellste Zusammenfassung des Wissensstandes über die Verbreitung der Vögel in Guatemalas in einem Kapitel über Vogeldiversität (Eisermann & Avendaño 2006) veröffentlicht, in einem Buch über Biodiversität in Guatemala.
Obwohl Guatemala die älteste Universität Mittelamerikas beherbergt, die 1687 gegründete Universidad de San Carlos, entwickelte sich die Biologie erst in jüngerer Vergangenheit zu einem Studiengang. Die meisten publizierten ornithologischen Studien wurden von Gastforschern ausgeführt. Von Guatemalteken erstellte, veröffentlichte Studien im Bereich der Ornithologie erschienen nicht vor den 1990er Jahren.
Seit den 1990er Jahren stellt die angewandte Naturschutzforschung einen Teilbereich der Ornithologie dar. Das Interesse Nordamerikas für den Schutz dort heimischer Arten, führten zur finanziellen Unterstützung von Studien über nordamerikanische Arten in ihren Überwinterungsgebieten, welche z.B. in Finch & Stangel (1993) zusammengefasst sind. Eine große Lücke klafft immer noch im Wissen über die Ökologie vieler in Guatemala heimischen Arten. Viele Kenntnisse über Regenwaldgreifvögel wurden durch Forschungen des Peregrine Fund im Rahmen des Projektes Maya (1980er und 90er Jahre) zusammengetragen. Das PROEVAL RAXMU Vogelmonitoring-Programm untersucht die Verbreitung der Vögel in Guatemala und die Lebensweise ausgesuchter Vogelarten. Das Programm hat eine komplett referenzierte Liste der Vögel Guatemala veröffentlicht, und legt den Schwerunkt auf die Erforschung bisher wenig bekannter Arten wie den Eulen.
Andere Programe werden im Maya-Biosphärenreservat (Wildlife Conservation Society) und im Schutzgebiet Cerro San Gil (FUNDAECO) ausgeführt. Die Ökologie vieler Arten ist weitgehend unbekannt. Ihre Erforschung ist Arbeit für Jahrzehnte!